... nur noch Ventile einstellen und dann kannst Du "ihn" abholen ... sagte der
Mechaniker meines Vertrauens aus dem Münchner Norden im März diesen Jahres,
der in den Wochen davor bereits umfangreichste Arbeiten an meinem 11er vorgenommen
hatte. Dann ein weiterer Anruf, ob ich nicht einmal vorbeikommen wolle, jedoch nicht zur
Abholung. Es gäbe da gewisse "Komplikationen" und ich sollte mir das vor Ort anschauen.
Auf der Fahrt gingen mir verschiedene Schreckensszenarien durch den Kopf ... Kompression war
gut - hatten wir geprüft, laufen tut er wie ein Uhrwerk was soll schon sein?
Ob ich wohl vorher einen Schnaps haben wollte wurde ich gefragt. Als ich verneinte
zeigte er mir am offenen Ventildeckel unverkennbar 6 abgerissene Stehbolzen, die
unmotiviert im Motor herum lagen. Von jedem unteren Zylinder einen. Nicht etwa die
alten rostenden Stehbolzen. Nein, es sind die lackierten Dilavarbolzen, die in einem
3,2 Liter Bj. '87 nun mal verbaut wurden und angeblich niiiiieee kaputt gehen. Nachdem
ich kurz den Umfang für eine Behebung des Problems mit dem Mechaniker besprochen
habe und mir die Kosten hierfür umrissen wurden, brauchte ich dann tatsächlich
einen Schnaps.
Ach so, daß ist er übrigens das Sorgenkind! 260.000 km.
Nach einigen schlaflosen Nächten und dem Einholen von Kostenvoranschlägen
bei einschlägigen Porsche Spezialisten entschied ich mich, einen kleinen Traum zu
erfüllen und eine Motorrevision nebst Kupplungserneuerung in Eigenregie an meinem
11er durch zu führen. Da weder meine Garage noch das vorhandene Werkzeug noch mein
mechanisches Know How für dieses Vorhaben ausreichten (mit 18 habe ich mal einen Vepa
Motor überarbeitet), kam mir das Angebot einer kleinen Werkstatt in meiner
Wohnnähe recht gelegen, eine gecoachte Motorrevision zu machen. Beim Kochen z.B. gibt
es schließlich auch Kurse und man kocht dann seine Suppe unter Anleitung alleine ...
Der "alte" Meister hat über 25 Jahre Porsche Erfahrung u.a. bei der Mahag
hier in München zu bieten, das passende Spezialwerkzeug und einen Arbeitsplatz
mit Bühne. Ich müsse lediglich 8-10 Arbeitstage Zeit haben und bei den Kosten
käme es sehr darauf an, was außer den Stehbolzen und der Kupplung an dem Motor noch
zu machen sei, sagte er. Mitte Juli konnte ich mir es dann endlich einrichten und eine
leidenschaftliche Geschichte begann ...
Mit vollem Kopf aus theoretisch angeeignetem Wissen aus zig Büchern, einem
vorab erworbenen Kupplungskit und Dichtsatz für den Motor im Gepäck
kam ich morgens mit dem 11er an der Werkstatt an. So ganz richtig konnte ich mir
das "Projekt" da aber noch nicht vorstellen.
Tag 1:
Beim Ausbau wusste ich verschiedene Arbeitsschritte aus Büchern oder es
erschloss sich logisch wie es geht. Bei anderer Fragestellung sprang "mein"
Meister ein und instruierte mich genau. Wie immer steckt aber der Teufel im
Detail, d.h. völlig festgebackene und angerostete Schrauben der
Abgasanlage und Ölversorgung, die entweder sofort abrissen und ausgebohrt oder
abgeflext werden mussten. Ausgenudelte Schrauben, die nur noch mit Spezialwerkzeug
zu öffnen waren etc., brachten mich von der Idealvorgabe ab den Motor in (wie es so
oft gern in Szenekreisen kolportiert wird) 2 Stunden aus zu bauen. Es wurden im Übrigen
12 Stunden. Noch Abgasanlage ab und Antriebswellen ausgebaut und dann war er draußen.
Tag 2 -4:
Im Zuge der nächsten Tage baute ich die Verblechung, Motorhalterung, das Getriebe ...
... und die Lichtmaschine nebst Ansaugverteiler/Luftmassenmesser etc. ...
... ab. Und bitte lieber Leser, denkt nicht es waren 8 Stunden Tage mit
ausgedehnter Mittagspause! 12 -14 Stunden waren die Regel, ohne große Pause!
Kettenkästen mit Steuerketten, Kettenspanne mussten ab.
Kettengehäuse und die Nockenwellengehäuse und ersten Köpfe gingen gut runter.
Sowohl den Köpfen als auch den Zylindern ist die Laufleistung von 260.000 km
nicht an zu sehen. Auf dem Bild ist jedoch gut der abgerissene Bolzen zu erkennen
und wo sich das Luft-Gas-Gemisch zeitweise seinen Weg gesucht hat kann man an dem
Harz gut erkennen ...
Kolbenringe (und viele weitere Motorteile) wurden bei 100.000 km von Roithmayer
ersetzt und sehen nach Prüfung makellos aus. Genauso sind die Kurbelwellen-
und Pleuellager nicht zu Beanstanden und die Verbindungsnaht war trocken,
weshalb wir beschlossen haben den letzten Schritt einer Komplettzerlegung nicht zu
machen. Ich beschloss daraufhin allerdings alle 24 Stehbolzen durch neue
Dillavarstehbolzen des 993er zu ersetzen, damit ich mit dem Thema abgerissene Bolzen
bei dem Motor, nie wieder etwas zu tun haben werde!
Tag 5 und 6:
Es fing die härteste Zeit an. Das Putzen von Motorblock, Kolben, Zylindern,
Köpfen, Reinigen Lackieren Glasstrahlen des Gebläsegehäuses und
Lüfterrades, das Lackieren von Teilen der Abgasanalage und der gesamten
Motorverblechung, Messingbeschichten des Halterings der Lichtmaschine und vieler
Schrauben. Kostete unendlich Zeit und Mühen. Das Besorgen von Teilen
insbesondere einer passenden Kupplung machte einen so großen Aufwand,
wie ich es nicht erwartet hätte. Mir hatte nämlich der "nette"
Verkäufer bei Ebay, ich hatte wie erwähnt bereits eine Kupplung gekauft,
nicht wie zugesichert eine G50 Kupplung geliefert, sondern eine für ein 915er
Getriebe. Mit Erschrecken mußte ich nun feststellen, daß eine Kupplung
für ein G50 Getriebe weder über Porsche noch für viel Geld auf die
Schnelle zu besorgen waren. Fichtel und Sachs baut die Kupplung z.Z. nicht mehr und
LUC produziert sie seit Längerem nicht mehr. Nach tagelanger Recherche konnte
ich über 7 Ecken dann doch noch eine auftun. Bei dem Baujahr hätte ich die
Probleme eigentlich nicht vermutet. Die Zeit zur Teilebeschaffung hätte ich dann
doch eher fürs Schrauben am Motor benötigt, was sich später sicher
noch rechen würde.
Im Übrigen kann sich aber das Ergebnis der Putzarbeiten sehen lassen…
Tag 7 und 8:
Nun das Ganze rückwärts, es sollte ja bald wieder ein laufender Motor
daraus werden ... Das Ausbauen der alten Stehbolzen mit einem Spezialwerkzeug
und das Eindrehen der Neuen war zum Glück sehr unproblematisch.
Beim Ausbau der Kupplung allerding kann man sich nicht vorstellen wie fest ein
Bolzen für die Ausrückgabel festsitzen kann. Hier habe ich die gewonnene
Zeit bei den Stehbolzen wieder komplett verloren, da man nur mit Flex, Schweißbrenner,
Heßluftföhn und Spezialwerkzeug etc. zum Ziel kommen konnte. Ich konnte mir jetzt
ausrechnen daß ich keine Chance mehr haben werde, nach 8 Arbeitstagen mit der
Revision fertig zu werden.
Die Bolzen sind drin und ...
... die Zylinder kommen wieder drauf.
Die Köpfe dann übrigens auch ...
... und die Ventilkästen und Nockenwellen auch.
Die Kettenspanner nach Erneuerung der kompletten Gleitschienen dann auch ...
In dem Zuge habe ich auch alle Fühler, wie Temperaturfühler, Ölgeber
etc. prophylaktisch ersetzt. Und die neue Kupplung ist nun auch schon eingebaut.
Zeitlich befinden wir uns im Übrigen bei der 3. oder 4. Nachtsession, wo ich nach
der Arbeit ab 18:30 Uhr an der Fertigstellung gearbeitet habe. Man durchläuft
schon das ein oder andere tiefe Tal ...
Tatatata!!! Lichtmaschine mit Lüfterrad, Einspritzspinne und Anbauteile sind
drauf. Sieht das nicht geil aus? Bitte entschuldigt die Wortwahl, aber es muß
ja mal gesagt werden wie es ist!
Nun nur noch das Getriebe drauf, Anlasser rein..
Und des Nachts nach weiteren 4 Nachtsessions um 23:00 Uhr hängt er drin der Gute.
Sieht das nicht toll aus?
Und so natürlich auch!!!
Mit Leiden(schaft) hatte ich es dann in 8 Arbeitstagen und ca. 8 Nachtsessions
nach der Arbeit tatsächlich geschafft! Nachts um 24:15 Uhr startete das nun
nicht mehr Sorgenkind sofort! Tschuldingung nochmal die Wortwahl aber, wie geil
das war. Jetzt erst mal einen Schnaps.
Alle meine Angabe entsprechen zu gefühlten 99% der Wahrheit und sind
völlig subjektiv. Ob ich das Ganze noch einmal machen würde?
Nach dem ich mich zwei Wochen in der Toskana erholt habe und den entsprechenden
Abstand gewonnen habe, kann ich auf die Frage ein definitives Jain antworten.
Solange mir der Herr der Stehbolzen beisteht, muß ich ja nicht. Aber stolz
wie Oskar bin ich schon beim täglichen Motoranlassen. Und er läuft seit
Wochen wie ein Uhrwerk. Also wenn es notwendig ist ... warum nicht?!
Viele Grüße,
Daniel