Trockeneisstrahlen


Stand: Februar 2006



911 on the rocks - geschüttelt, nicht gerührt! (Teil I)


Hierbei handelt es sich nicht um ein neues Lieblingsgetränk von James Bond, sondern Eis läßt sich auch überraschenderweise für unsere Porsche verwenden. Trockeneisstrahlen nennt sich diese neue Technik zum Entfernen diverser Übel. Siggi hat im Selbstversuch seinen 911 2.4 T, Targa, Bauj. '72 teilweise dieser Kur unterzogen und schildert uns seine Erfahrungen.


Im April letzten Jahres bin ich nach längerer Suche und einiger schlaflosen Nächte, ob es jetzt ein S sein muss, oder doch auch ein T auch reicht, ob kurzer oder langer Radstand, ob 2.0, 2.2 oder 2.4 Liter, ob Targa oder Coupe, ob polorot oder signalorange und so weiter, auf einen gut erhaltenen 72er 911 T Targa in Hellelfenbein gestoßen, der seine ersten Tage in Rom, weitere 25 Jahre in der Toskana und die letzten 3 Jahre in Frankfurt verbracht hatte. Die Karosserie wurde in Italien mal komplett außen abgeschliffen und neu lackiert, Bilder waren vorhanden. In Deutschland hat der Vorbesitzer dann die Teppiche erneuert, die noch guten Originalsitze (beiliegend) wegen besseren Seitenhalts durch Bielstein-Sportsitze in Cord und Kunstleder ersetzt, den Motor bei gutem Öldruck und Durchzug auf hydraulische Kettenspanner umgebaut und viele Kleinigkeiten wie Haubendämpfer, Dichtungen, Reifen, etc. vom Vorbesitzer gewechselt. Eine genauere Begutachtung durch einen Gutachter hat dann gezeigt, daß auch die Substanz von Bodengruppe, Vorderwagen und Radkästen ungeschweißt und gut aussah, allerdings mit einigen Stellen, wo der originale Unterbodenschutz abgeplatzt war und sich leichter Flugrost angesetzt hatte. Diesen angesichts der vielen angebotenen Rostlauben doch nicht selbstverständlichen Zustand wollte ich möglichst original erhalten, andererseits aber nicht riskieren, daß sich eventuell doch vorhandene Rostherde weiter ausbreiten.


ohne Schuhe Bonbon


Nachdem ich schon einiges über Trockeneisstrahlen gehört und auf der Retro Classic in Stuttgart auch so behandelte Fahrzeuge gesehen hatte, habe ich verschiedene Anfragen bei Anbietern im süddeutschen Raum gestartet, was so etwas kostet und wie die Sache abläuft. Es folgt ein kurzer Überblick über die Methode, Möglichkeiten, Einschränkungen und natürlich das Ergebnis in Bildern.

Zur Herstellung des Trockeneises wird Kohlendioxid verflüssigt und durch Entspannen (des Eises, nicht des Arbeiters!) in Kohlensäureschnee verwandelt, der dann in sog. Pellets (sieht aus wie weisses Kraftfutter) gepreßt wird. Diese Trockeneispellets, die eine Temperatur von -79 °C haben, prallen beim Strahlen mit Druckluft auf die zu reinigende Oberfläche. Durch die niedrige Temperatur wird die bestrahlte Oberfläche in Bruchteilen einer Sekunde schockgefroren. Durch die Rißbildung und Versprödung können die nachfolgend auftreffenden Pellets unter die abzutragende Schicht gelangen. Beim Aufprall der Pellets geht das Kohlendioxyd von seinem festen in den gasförmigen Aggregatszustand über und weitet sich auf das 700-fache Volumen aus. Durch diese "Explosion" und durch die kinetische Energie der Pellets wird jeglicher Schmutz gelöst.

Kohlendioxyd ist unbrennbar, geruchlos, geschmacksneutral und ungiftig und hat beim Strahlen gegenüber anderen Strahlmitteln neben der Sache mit dem Schockfrieren und der Versprödung den großen Vorteil, daß nach dem Auftauen keine Rückstände übrigbleiben, sondern eben nur CO2-Gas und der Schmutz, der vorher auf der zu reinigenden Fläche war.

Trockeneisreinigung ist damit eine feine Sache, aber kein Wundermittel. Da das Trockeneis NICHT abrasiv ist, bleiben Verfärbungen, die schon ins Trägermaterial eingedrungen sind (z. B. Gelb angelaufene Vergaser) oder Schäden durch Oxidation (z. B. Salzfraß an Aluteilen) bestehen. Ebenso wird Rost nur oberflächlich gereinigt, nicht aber entfernt. Hierfür muß ein abrasives Strahlmittel wie Sand, Kunststoff oder Glasperlen her.


vorher nachher vorher nachher


Trockeneisstrahlen eignet sich wiederum hervorragend zur Reinigung von Motoren oder Getrieben. Fette und Öle werden sicher entfernt, auch Verbrennungsrückstände in den Brennräumen lösen sich. Aber auch hier gilt: Trockeneisstrahlen ist nicht zu vergleichen mit Glasperlenstrahlen. Oxidierte oder angefreßene Getriebe werden nicht fabrikneu. Auch zur Reinigung kompletter Motorräume von fahrbereiten KFZ ist Trockeneisstrahlen ein geeignetes Verfahren, Kunststoffteile, Gummi und Kabel werden nicht angegriffen.

Da der Reinigungeffekt des Trockeneisstrahlens zum größten Teil auf dem thermischen Effekt beruht, ist beim Reinigen des Unterbodens zu unterscheiden, ob der Wagen werksseitig mit einem elastischen und relativ hartnäckigen PVC-Steinschlagschutz (wie der 911er) oder mit einem relativ leicht zu versprödendem Unterbodenschutz auf Teer- oder Bitumenbasis (wie viele englische oder italienische Autos) ausgestattet ist. Letztere lassen sich relativ schnell und einfach bis auf den unter dem Unterbodenschutz gelegenen Lack reinigen. Beim 911er geht der originale Steinschlagschutz überall dort weg, wo er beschädigt ist, ansonsten bleibt er dran und nur der daraufliegende Dreck bzw. nachträglich aufgebrachtes Bitumen wird entfernt.

Wegen des original hellen Steinschlagschutz beim Elfer meines Baujahrs wird die Oberfläche von vorher schmutzig schwarz nach dem Strahlen zwar erstaunlich sauber aber immer leicht scheckig, sodaß der Perfektionist die gestrahlten und ausgebesserten Flächen vor dem Wachsen noch mal lackiert. Diese 3 Schritte (Strahlen, auslackieren der gestrahlten Flächen, komplette Wachsversiegelung) werden von Firmen wie Carblast in der Nähe von Stuttgart als Gesamtpaket angeboten, wofür mir ein Gesamtpreisrahmen von 2.300 bis 3.000 Euro genannt wurde. Strahlen alleine lag bei den Angeboten um die 1.000 Euro.


vorher nachher


Da der Steinschlagschutz an meinem Elfer nur lokal abgeplatzt war, ansonsten aber einen stabilen Eindruck machte, entschloß ich mich, das Verfahren auszuprobieren und die später blanken Stellen in Eigenregie mit neuem Steinschlagschutz auszubessern, je nach Ergebnis zu lackieren und dann noch mal mit transparentem Wachs oder Korrosionsschutzfett versiegeln zu lassen.


Bei der Firma Polar Trockeneisreinigung in Neustadt an der Donau (zwischen Ingolstadt und Regensburg) habe ich letztlich eine Firma gefunden, die mir ein gutes Angebot deutlich unter 1.000 Euro fürs Strahlen machen konnte, da zufällig noch einige Kilo Eis auf Lager waren, die andernfalls innerhalb einiger Tage geschmolzen wären.


An einem Samstag Anfang Mai 2005 fuhren wir dann im Konvoi - 911er und Alltagsfahrzeug - nach Neustadt, um den Elfer dem Eis auszuliefern. Als erstes wurde die Oberseite mit allen Schlitzen und Öffnungen mit diversen Laken und einigen Metern an Kreppband abgeklebt, sodaß nicht allzu viel Dreck sich absetzen konnte. Danach wurde Stück für Stück der Unterseite gestrahlt und von schwarzem Schmutz befreit, das Ergebnis ist unten selbsterklärend zu sehen.


Gelernt habe ich, daß die Nischen und Ecken (z. B. Bereiche um die Lampentöpfe oder um den Tankstutzen) wegen des flachen Winkels nicht von Strahlmittel getroffen und damit nicht wirklich gereinigt werden. Trotzdem sind 90 % der Flächen jetzt sauber und bereit für eine Behandlung mit Wachs oder Fett. Die noch zu reinigenden Flächen erfahren wie die Stellen, wo der Steinschlagschutz abgeplatzt ist (siehe Bild), nun noch eine Einzelbehandlung mit Drahtbürste, Schaber, Fertan und Grundierung, bevor ich wieder hellen Steinschlagschutz (Terotex 3000) auftragen möchte.


vorher nachher vorher nachher


Auch Fahrwerksteile wie Stoßdämpfer, Traggelenke, Stabi oder Motorträger müssen noch mal nachbehandelt werden, wofür ich seidenmatten Chassislack vorgesehen habe. Auslackieren der Radläufe und Hohlraumversiegelung mit Wachs oder Fett möchte ich bis Mai diesen Jahres machen lassen, damit ich zügige Fahrten selbst beim ersten Frühlingsregen ohne schlechtes Gewissen wieder genießen kann.


Tipps zum weiteren Vorgehen (Wachs oder Fett, Adressen von Hohlraum-Versieglern mit Porsche-Erfahrung und Liebe zum Detail) sind herzlich willkommen!


Wer noch Fragen hat, kann mich gerne über elferclassix kontaktieren.


Gute Fahrt wünscht euch,
Siggi

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