Porsche Classic-Cars-Training Nürburgring Nordschleife 2012


Ort & Zeit: Nürburgring Nordschleife, 9.08.2012



Nordschleife vogelwild - Im Urelfer beim Porsche Klassik Fahrertraining

"Wenn man beim Urelfer Räder wechselt, sollten die Radmuttern schon gut angezogen sein, bevor man das Auto wieder auf den Boden setzt. Die alten Fuchsfelgen werden ja nicht über die Nabe fixiert, sondern nur über die Muttern. Da verkannten die Räder schnell." Ob ich das nicht wüsste, fragt Herwig Roitmayer. Nein, wusste ich nicht, mein Reifenhändler wohl auch nicht - nachher ist man immer schlauer...

Porsche Classic-Cars-Training Nürburgring Nordschleife 2012



Das Lenkrad vibriert heftig, es schüttelt mich. Immer bei Tempo 120 versucht die Vorderachse scheinbar die Semislick-Räder abzuwerfen. Toll, dass es auf den Autobahnen von München zum Nürburgring so viele Tempo 120-Zonen gibt. Anreise zum Porsche Klassik Fahrertraining auf eigener Achse, den Motor einfahren.



Markus in seiner RS Replika Meine gulfblaue RS Replika hat einen 3,2 Liter Ami-Motor, bei dem ein Kolbenring gebrochen war. Der Motor hatte 110.000 Meilen, also gleich mal komplett überholen. Und siehe da, das ist gar kein 3,2er, sondern ein 3,4er. Drum zieht der also so gut und brummt so laut in der Nacht. Also Ohrenstöpsel einsetzen und nicht über 4.000 Touren drehen. Vollgas gibt´s erst morgen.



Am nächsten Morgen um 8:00: Briefing der Porsche-Instruktoren im Lindner Hotel am Nürburgring. Das hat noch auf, dank Kurt Beck. Neben mir sitzt elferclassix Spezi Jörn, der hört genau hin, als Stargast Striezl Stuck die Strecke erklärt. Für Jörn ist das Training nur ein Vorspiel. Am Tag drauf hat er sich mit seinem blutorangenen 911 ST für den Classic Marathon des OGP, des Oldtimer Grand Prix auf der Nordschleife angemeldet. Und da geht es immerhin gegen Jochen Maas und Walter Röhrl, dazu später mehr.

Ich bin das erste Mal auf der Nordschleife und hab mich gut vorbereitet. Etliche Runden bei YouTube mitgefahren, die Streckenabschnitte studiert, vergeblich, es sind zu viele. 20 Kilometer ist eine Runde lang, die zahllosen Streckenabschnitte klingen bekannt: Schwedenkreuz, Fuchsröhre, Kesselchen, Pflanzgarten, trotzdem bring ich sie ständig durcheinander. Also gut aufpassen auf der Einführungsrunde.



Markus in seiner RS Replika Wir fahren den Porsche-Instruktoren hinterher, in 8er Grüppchen. Immerhin 10 solche Gruppen haben sich zum Start auf der Döttinger Höhe aufgereiht. Porsche definiert den klassischen Porsche bis Modell 993. Hinter mir drängelt schon ein 993 Cup, Rennwagen, 100 PS mehr als ich. Fair ist das nicht. Dann muss ich den eben durch fahrerische Klasse auf Abstand halten - denke ich.



"Eine vogelwilde Linie fährst Du da." Der Instruktor, der am Ende unserer Gruppe fährt, hält sich nicht mit diplomatischen Feinheiten auf. Ob ich denn zum ersten Mal hier sei. Ja, bin ich. Und natürlich wird die Ideallinie vom vorausfahrenden Instruktor gebetsmühlenartig wiederholt. Aber das bringt einem nichts, wenn man 8 Autos und 500 Meter hinter ihm fährt. Da passen die Ansagen nicht zu den Streckenpunkten. Wie, jetzt stark bremsen und den zweiten Scheitelpunkt der Kurve ansteuern? Wie viele Scheitelpunkte haben die Kurven denn hier? Wieder verbremst, vogelwild eben. Nach jeder Runde rücken zwei Autos nach vorne. Schon macht das Gehörte mehr Sinn.



Markus in seiner RS Replika Und dann wird es langsam besser. Nach Runde 5 hab ich das Gefühl "hier war ich schon mal". Jörn, der die Strecke besser kennt, lügt freundlich: "Das sieht schon ganz flüssig aus bei Dir." Darauf grätscht der Instruktor dazwischen: "Unfug, in der Fuchsröhre wird nicht gebremst, da fährt man Vollgas." Hab ich erwähnt, dass die Instruktoren mit aktuellen bzw. 997er GT3 RS und Turbos unterwegs sind? Ich bin in der Pause mal eine Runde mit dem netten Instruktor mitgefahren und hab gedacht, wir wären vorher mit dem Tretroller rumgekurvt. Die Jungs fahren hier 24-Stunden Rennen und kennen die Strecke auswendig. Und die neuen Autos sind einfach unglaubliche Kurvenstars. Trotzdem lieb ich meine gulfblaue Rappelkiste. Auch auf dem Nürburgring liegt Tempo 120 zwischen jeder Kurve an und das Lenkrad schüttelt sich.


So langsam lässt die Anspannung nach und wir beginnen die Runden zu genießen. Die Kurvenkombinationen klappen immer besser. An den einen oder anderen Bremspunkt kann ich mich auch erinnern. Die Strecke ist ein großartiges Erlebnis. Auf und ab durch die Eifel. Die grüne Hölle, die schönste Rennstrecke der Welt haben wir heute nur für uns. Zwischendrin kommt Lob durchs Funkgerät, wir seien jetzt schon ziemlich flott unterwegs. Aber dann "Bitte fahrt mal rechts und lasst den Walter durch." Der Kondensstreifen eines gelben 991 zieht im Karussell vorbei, der Herr Röhrl eben.


Und dann staubt es leider auch mal vor uns. Einem der Kollegen ist die Straße ausgegangen. Kaltverformung im Heck durch Leitplankenkontakt. Fahrer wohlauf, Auto nicht, Training beendet. Da fällt einem wieder ein, was wir hier tun, die Haftgrenze ausloten auf einer Rennstrecke. Rausfinden, wie das ist, wenn das Auto rutscht und mit dem Heck wackelt. Und eben, wie lang das gut geht.


Nach 4 Stunden geführten Runden kommt das freie Fahren. Jeder für sich. Jörn fährt voran, zu schnell für mich. Manchmal treffe ich die Ideallinie, manchmal fahr ich meine eigene vogelwilde. Trotzdem macht es unglaublichen Spaß. Jetzt darf man sogar überholen, hab den 993 Cup beim Verbremser geschnupft.



Striezl Stuck Um 16 Uhr Abschlussbesprechung. Urkunden gibt´s, dazu ein Video aus der Instruktor- Kamera. Dabei hab ich doch mein eigenes per Onboard-Kamera gemacht: Eine Runde versuchte Ideallinie hinter dem Profi -> siehe YouTube




Jetzt versteh ich, warum so viele Autos hier in der Eifel diese merkwürdige Form auf dem Auto kleben haben, die Novizen für eine Nordsee-Insel halten würden. Wir Insider erkennen den Nordschleifen-Aufkleber natürlich sofort und grüßen mit freundlicher Lichthupe. Gerade überholt ein GT2 aus Norwegen. Dahinter ein Schweizer 964 RS. Nix besonderes hier. Willkommen im Club der Nordschleifen-Infizierten.


Epilog 1:

Jörn in seinem ST Jörn in seinem ST Am nächsten Tag, Auftaktrennen zum OGP. Jörn im ST gegen die Creme de la Creme. Ich als seine 1-Mann Boxencrew, immerhin mit Wagenheber und Ratschenkasten, zwischen den Englischen Jaguar E-Type Profi Teams mit ihren Reifenstapeln. Jetzt naht Verstärkung. Siggi und Roland aus dem elferclassix Team kommen. Sie haben Klappstühle dabei... Zum geplanten Tankstopp erscheint Jörn nicht. "Ausfall auch vom Auto mit der Nr. 62, Porsche 911 ST" kommt aus den Lautsprechern. Jörn hat das 10.000 Euro Geräusch gehört "als ob einer eine Dose Schrauben schüttelt", Motorschaden nach der Hälfte des Rennens. Mit dem ebenfalls frisch aufgebauten Motor. Also auf den Hänger geschoben an der Touristen-Einfahrt der Nordschleife. Jörns Laune erholt sich bis zum Ende der Veranstaltung nicht mehr. Verständlich.


Epilog 2:
Am Samstag noch mal Nordschleife. Nebenan auf dem Grand Prix Kurs donnert die historische Formel 1 über die Strecke. Während der Touristenfahrten kann jeder für 26 Euro in seinem Alltagsauto eine Runde drehen. Bei manchen ist das der neue Ferrari, vor mir steht eine Frau im 1,8L Passat Kombi. Und davor Siggi und Roland im Audi RS4 Tatsächlich scheine ich beim Training was gelernt zu haben, ich überhole flüssig. Bis in der letzten Kurve ein alter Scirocco vorbeizieht. Nach 500 Runden hast Du´s auch drauf, hatte der Instruktor gesagt...


Epilog 3:
Heimweg. Das 120 km/h Gerüttel wird mir zu blöd. Auf einem Supermarktparkplatz schraub ich die Vorderräder runter und wieder drauf. Der Wagen läuft plötzlich butterweich, wie auf Schienen. Warum, erklärt mir Herwig dann erst in der Woche drauf.


Vogelwilde Grüße von,
Markus

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