Einige Dinge dauern bei mir manchmal leider ein bißchen länger. So habe ich
beispielsweise elferclassix diesen Artikel schon vor einem Vierteljahr versprochen.
Oder damals gute drei Jahre gesucht, um endlich den passenden, klassischen
Elfer zu finden. Wie sicher allen von Euch, macht mir das Auto riesigen Spaß.
Sowohl beim Fahren, als auch beim Schrauben.
Allerdings wandelte sich dieser Spaß vor mittlerweile guten zwei Jahren
plötzlich in blankes Entsetzen. Auf dem Weg zur Hochzeit eines Freundes war
mein Gasfuß für das nasse Kopfsteinpflaster zu forsch. Das Heck hat mich
ansatzlos und mit einer solchen Vehemenz überholt, daß sämtliche
Versuche
es wieder einzufangen nur dazu führten, daß es auf der anderen Seite wieder
abgehauen ist. Einige von Euch werden jetzt sicher grinsen, aber ich war heilfroh,
als mein Lieblingsspielzeug ohne Einschlag zum stehen gekommen ist. Mein Herz
habe ich damals lauter schlagen hören als den Boxer im Heck und seither fuhr
bei Näße immer ein ungutes Gefühl mit.
Diese Geschichte habe ich meiner Freundin Steffi erzählt, die mir daraufhin
gemeinsam mit meinen Eltern zum Geburtstag einen Gutschein für ein
Fahrsicherheitstraining geschenkt haben. Nachdem die Trainings direkt bei
Porsche zum einen nur mit modernen Autos durchgeführt werden und zum anderen
auch preislich nicht gerade günstig sind, suchten wir nach einer
Alternative. Es verging einige Zeit (bei Näße bin ich weiterhin um die Kurven
geschlichen) bis wir ein Angebot des privaten Porsche Sportscar Club (PSC)
Nürnberg für ein Fahrsicherheitstraining auf der Naturrenstrecke in
Schleiz bekamen.
Nach telefonischer Rücksprache war abgeklärt, daß Oldies ebenfalls teilnehmen
dürfen. Einer der Instruktoren wird ebenfalls mit seinem 73er RS dabei sein.
Die Vorfreude auf ein interessantes Wochenende stieg. Wir hatten uns beide
als Fahrer angemeldet und waren schon ganz heiß, die Grenzen der Fahrphysik
auszuloten. Auch die in der Anmeldung angekündigte Helmpflicht, ließ uns
nicht stutzig werden. Wir erwarteten ein richtiges Fahrertraining mit
Hütchen und Fähnchen.
Freitag, den 16.09.05 starteten wir nach der Arbeit von München aus in
Richtung Schleiz. Selbst der Regen und dichter Verkehr, konnte die gute
Laune und gespannte Erwartung nicht schmälern.
Als wir um 22:30 Uhr auf dem Parkplatz unseres Hotels Luginsland, das direkt
an der ursprünglichen Strecke des Schleizer Dreiecks liegt, einbogen, kamen
uns allerdings beim Anblick von drei Anhängern mit 996 GT3 darauf erste Zweifel.
Was wollen die Fahrer solcher Autos bei einem Sicherheitstraining?
Bei den anschließenden Gute-Nacht-Bierchen mit den Teilnehmern des PSC
bestätigte sich unser Eindruck: Alles sehr nette Leute, jedoch nur darauf aus,
die Autos fliegen zu lassen. Ein Sicherheitstraining so wie wir es erwartet
hatten, war das definitiv nicht.
Das flaue Gefühl, mit einem viel zu schwachen Auto auf der absolut
falschen Veranstaltung zu sein, ging auch nach den Bierchen nicht weg. Ja, es
verstärkte sich sogar noch, als ich am nächsten Morgen von unserem Zimmer
auf die gesamten "Waffen" am Parkplatz schaute: Neben einigen Profis, die
gerade dabei waren, Slicks zu montieren, standen da unter anderem ein
964 RS, 964 Clubsport, 996 GT3, GT3 RS, 1973er 911 RS, RUF Turbo und
daneben die bescheidenen 190 Pferde meines 72er S. Sogar ein Carrera GT
sollte im Laufe des Tages noch auftauchen, dazu jedoch später mehr.
Beim Frühstück wurde der Ablauf der Veranstaltung durchgesprochen.
Am Vormittag werden einige Übungen zum Kennenlernen der Strecke durchgeführt,
ab Samstag nachmittag ist dann freies Fahren auf der Strecke (in jeweils
30 Minuten Blöcken). Ein paar Worte mit dem Instuktor, der den 1973er RS fuhr,
zerstreuten meine Bedenken und wir machten uns auf den Weg zur Strecke.
Der Vormittag verging wie im Flug. Die Kennenlern-Übungen des Kurses waren
schon absolut lehrreich, auch wenn wir dabei noch weit vom Grenzbereich
entfernt waren. Außerdem war für mich als Rennstrecken-Neuling ein großer
Vorteil, daß der Kurs mit ca. 3-4 km relativ kurz und leicht zu merken ist.
Nachteil einer Naturrennstrecke ist aber, daß es nur in einigen wenigen
Berichen Auslaufzonen gibt, an denen man sein Auto bei einem Ausflug nicht
kaputt macht.
Höhepunkt des Vormittags waren für mich jedoch eindeutig die beiden
Runden, die ich zum Kennenlernen der Ideallinie hinter dem Instruktor
herfahren durfte. Er wird es ja nicht gerne hören, aber ich habe mich mehr
auf die wunderschöne Heckansicht des 73er RS konzentriert als auf die
richtigen Kurven!
Nachmittag um 14:30 Uhr wurde es dann ernst. Das erste freie Fahren auf der
Strecke. Der Puls steigt, die Hände werden nur deswegen nicht naß, weil
die Handschuhe noch trocken sind. Wie werde ich mich schlagen? Bin ich
nun das Hindernis-Auto der Carrera-Bahn in live? Es scheint sich günstig
für mich zu entwickeln. Ein Platzregen treibt eine Stunde vor dem Start
einen Großteil der Mitfahrer zurück ins Hotel. Ich habe Hoffnung, daß
von den insgesamt 30 Teilnehmern nur einige wenige auf der Strecke sind
und ich etwas seltener in den Rückspiegel schauen muß. Das scheint sich
auch so zu entwickeln. Neben mir stehen nur zwei Autos in der Startaufstellung.
Es ist 5 Minuten bevor es losgeht. Ich freue mich bereits auf ungestörtes
Ausprobieren. Doch dann kommts wieder einmal anders - ist ja nicht das
erste Mal an diesem Wochenende. Die Sonne bricht durch und hinter mir
füllt sich die Start- und Zielgerade. Genau das wollte ich nicht! Aber
manchmal muß man halt zu seinem Glück gezwungen werden!
Um es kurz zu machen: Man hat mich an diesem Nachmittag kaum noch von der
Strecke gebracht. Anfänglich noch etwas eckig, wird man von Runde zu Runde
sicherer und schneller. Der Spaß steigt mit jedem Kilometer und der
Rückspiegel wird zunehmend unwichtiger. Mit der Zeit wurde auch der
Respekt vor den deutlich neueren Autos geringer. Ich konnte feststellen,
daß so ein Boxster auch kein Hexenwerk ist und man mit unseren älteren
Schätzchen durchaus mithalten kann. An den Reifen bilden sich dann aber
so kleine schwarze Würstln und der Verbrauch nähert sich dem eines Hummers.
Fairerweise muß aber zugegeben werden, daß es einige Situationen gab in
denen ich meinte, nun gehts absolut nicht mehr schneller und genau da von
Autos überholt wurde, die schätzungsweise doppelt so schnell unterwegs waren.
Hier sei vor allem Ralf Kracker, der Präsident des PSC, erwähnt. Es war
schon
faszinierend zu sehen, wie er mit seinem "alten" RS (allerdings auf RSR
Spezifikation leistungsgesteigert) den modernen GT 3 Paroli bot.
In den Pausen zwischen den Umläufen war auch für reichlich Unterhaltung
gesorgt: Da wir uns ja auf ehemaligem DDR-Territorium befanden, fuhren
Renn-Trabis und -Wartburgs einige Umläufe. Es hatte zwar manchmal etwas
den Charakter von Schrott-wird-flott, war aber sehr unterhaltsam!
So neigte sich der erste Tag des "Fahrsicherheitstrainings" dem Ende zu,
mit Ausnahme einiger Dreher und einer kaputten Kupplung waren weder
Schäden bei Mensch noch Maschine zu beklagen. Beim Abendessen haben
die Fahrer natürlich weiter gefachsimpelt. Zum Glück hatten die Meisten
ihre Partnerinnen dabei, so hat sich auch Steffi gut unterhalten. Ein
rundum toller Tag!
Am Sonntagmorgen war der Blick auf den Parkplatz nicht weniger spektakulär
als am Vortag: Ein silbergrauer Carrera GT hatte genau neben meinem
schwarzen F-Modell geparkt - ein eindrucksvolles Bild von 30 Jahren
Porsche Entwicklung. Und als ob das noch nicht genug wäre, stand auch
noch ein Hubschrauber neben dem weiß-roten 2,7 RS. Einziger Nachteil -
ich konnte meine Steffi nicht finden. Sie hatte den Fotoappart und so
kann ich nur darauf vertrauen, daß Ihr mich nicht für einen Aufschneider
haltet oder es auf die Nachwirkungen des Alkohols schiebt ...
( "...jaja, um dir das Abzunehmen, müßt ihr das Fahrertraining
notfalls wiederholen. Wir warten auf das Bild." )
Der Vormittag auf der Rennstrecke war nun schon wesentlich
entspannter als am Samstag. Ich war mir mittlerweile meiner Sache
recht sicher und habe es geschafft, einen der Boxster nicht nur zu
ärgern, sondern auch zu überholen. Somit hatte ich mein Erfolgserlebnis
und nach einigen Rutschern und arg quietschenden Reifen auch das Gefühl,
daß ich mein Limit gefunden hatte. Dann kam die "große" Stunde des Carrera GT.
Der Fahrer dieser schlappen €450.000 teuren Flunder hatte bisher nur
zugesehen und noch keinen Meter auf der Strecke zurückgelegt. Jeder von
uns wollte natürlich dieses technische und designmäßige Sahnestück
auch
einmal auf der Strecke sehen und vor allem hören! Irgendjemand scheint
es dann geschafft zu haben, den Besitzer zu überzeugen eine Runde zu drehen.
Also: Alle anderen Fahrzeuge in die Box damit nur ja nichts passiert
(genau das hätte ich mir am Vortag auch gewünscht!), Zuschauer an die
Start-Zielgerade und Strecke frei für den GT.
Als das Auto am Beginn der Gerade auftauchte, waren alle noch im Glauben
an eine Aufwärmrude. Als es dann Bruchteile von Sekunden später mit einem
heiseren Sirren an uns vorbeischoß, entfuhr meinem Nachbarn nur ein "der
is´ zu schnell". Die weisen Worte waren gerade ausgesprochen, als am Ende
der Geraden schon der Rauch von vier Reifen aufstieg, wir das Auto durch
den Kies und über ein Stück Wiese schlittern sahen und es kurz danach das
laute, trockene Knacken von Kohlefaser gegen Reifenstapel gab.
In der folgenden Sekunde hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
Dann entwickelte sich schlagartig eine hektische Betriebsamkeit. Zum Glück
stellte sich schnell heraus, daß es keine Verletzungen gegeben hat. Aber
an dem Auto hätten wir Hobbyrestauratoren unsere große Freude gehabt.
Für mich war dies der Punkt, an dem ich mich wieder an die vielen Stunden
Arbeit an meinem Elfer erinnert habe. Ich beschloß, bevor mir ähnliches
passiert, mit Steffi die Heimfahrt anzutreten. Gegen Abend kamen wir wieder
wohlbehalten in München an. Allerdings scheint das Getriebe das Wochenende
nicht ganz unbeschadet überstanden zu haben ...
Aber egal, unser Fazit des Wochenendes: Obwohl wir uns etwas ganz
anderes darunter vorgestellt hatten, hat es uns höllischen Spaß gemacht UND:
Man lernt beim Schnellfahren auf der Rennstrecke enorm viel für die normale
tägliche Fahrerei auf der Straße. Insofern wars also doch ein
Fahrsicherheitstraining!
Gekostet hat mich der Spaß €365 für Fahrer und Fahrmaschine zzgl. €160 für eine Begleitperson. Inklusive waren Übernachtungen, ein Abendmenü und als Überraschung ein Hubschrauberflug.
Für all diejenigen, die sich überlegen an einem solchen Wochenende einmal
teilzunehmen ist hier die Kontaktadresse des PSC:
Fr. Anita Wallner (Schriftführerin)
Peter Henleinstr. 2
91126 Schwabach
email: anita"hier@einfügen"asipa.de
oder weitere infos am nächsten Stammtisch, der ist ja bald wieder!
Viele Grüße,
Steffi und Martin